Das historische “Teatro Amazonas” oder Opernhaus liegt im Herzen der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, mitten im grössten Regenwaldgebiet Brasiliens. Hier findet jedes Jahr im April das “Festival Amazônas de Ópera“ (Amazonas Opern-Festival) statt.
Das architektonisch sehr reizvolle Gebäude wurde während der “Belle Epoque“ errichtet, als die Stadt Manaus Unsummen während des brasilianischen “Gummi-Booms“ scheffelte. Die Idee des “Amazonas-Theaters“ wurde 1881 erstmals von einem Mitglied des Repräsentantenhauses, Antônio José Fernandes Júnior, geäussert – er suggerierte, “damit ein kulturelles Juwel im Herzen des Amazonas-Regenwaldes zu errichten, um Manaus zu einem Zentrum westlicher Zivilisation zu machen“.
Im Jahr darauf verabschiedete die Staatskasse eine limitierte Finanzierung, aber die erwies sich als ungenügend für ein so gigantisches Projekt. Ende 1882 genehmigte der Präsident der Provinz, José Lustosa Paranaguá, ein vergrössertes Budget und schrieb den Wettbewerb aus für die Projekt-Präsentation. Ausgewählt wurde dann der Vorschlag des “Gabinete Português de Engenharia e Arquitectura“ – einem Ingenieur- und Architektur-Büro aus Lissabon (1883). Und 1884 war man bereit, mit dem Bauwerk zu beginnen – der führende Architekt war der Italiener Celestial Sacardim, der für das im Renaissance-Stil geplante Gebäude eine Inneneinrichtung in modernster Technik jener Zeit, inklusive elektrischem Licht, vorsah.
Die Arbeit ging nur langsam voran während der folgenden fünfzehn Jahre – mit einigen Pausen und Neustarts zwischen 1885 und 1892. Die Dachpfannen wurden aus dem Elsass importiert, aus Paris kamen die Möbel und Einrichtungen im Stil von Louis XV – die meisten von der Koch-Fréres Company. Den Carrara-Marmor für die Treppen, Statuen und Säulen führte man aus Italien ein. Die Stahlwände wurden in Englang geordert. Das Theater hat 198 Lüster und Kronleuchter – 32 davon sind aus Murano-Glas. Der Bühnenvorhang mit seinem Gemälde des “Encontro das Águas“ (Zusammentreffen der Wasser – gemeint ist der Zusammenfluss von Rio Negro und Rio Solimões, die den Amazonas bilden, wenige Kilometer unterhalb von Manaus) – stammt von Crispim do Amaral aus Paris. Die Kuppel des Gebäudes ist aussen mit 36.000 Keramikkacheln bedeckt, die in den Farben der brasilianischen Nationalflagge bemalt sind.
1893 setzte man, nach einer erneuten Pause, die Arbeiten fort. Als 1895 die Aussenarbeiten am Gebäude endlich fertig waren, konnte man die Dekoration des Interieurs und die elektrische Installation beschleunigt vorantreiben. Der Italiener Domenico de Angelis malte die herrlichen Deckenpainele im Auditorium und im Empfangsraum. Trotzdem dauerte es weitere zwei Jahre – nachdem das Gebäude bereits eingeweiht war und die ersten öffentlichen Präsentationen gelaufen waren – bis das Amazonas-Theater schliesslich komplett fertiggestellt war – ein Projekt, das insgesamt 17 Jahre in Anspruch genommen hatte.
Das Theater wurde am 31. Dezember 1896 eingeweiht – die erste Aufführung erfolgte am 7. Januar 1897 mit der italienischen Oper “La Gioconda“, von Amilcare Ponchielli. Seither ist das Gebäude dreimal restauriert worden – zum ersten Mal im Jahr 1929, dann 1974 und zwischen 1988 und 1990. Heute besitzt es 701 mit rotem Samt bedeckte Sessel für das Publikum.
Nach einer langen Pause wurde im Jahr 2001 erstmals wieder ein Opernprogramm im “Teatro Amazonas“ gestartet: “Bis 2001 gab es fast neunzig Jahre lang keine Opernaufführungen mehr. Dann wurde ein neuer Gouverneur im Bundesstaat Amazonas gewählt, der Populist Amazonino Mendes, der entschied, dass die Stadt ein professionelles Orchester von Top-Qualität brauche – mit Chor und einem Ballet. Er zweigte dafür zirka 2,5 Millionen USD ab – eine enorme Summe, wenn man bedenkt, dass in diesem Bundesstaat die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr als 90.00 USD pro Monat zum Leben hat.
Das Ergebnis war eine ganz ungewöhnliche Musiker-Abwanderung aus Europa nach Manaus, genauer gesagt aus Osteuropa. Dort kamen ein paar der besten Musiker aus Orchestern wie dem “Kirov“ in die Versuchung, sie lockten die wesentlich besseren Gehälter. Und tatsächlich, 39 von den 54 Mitgliedern des “Amazonas Orchestra Filharmônica“ sind aus Bulgarien, Russland und Weissrussland.
Heutzutage ist das Amazonas Theater auch Austragungsort eines jährlichen Film-Festivals.
Das Theater wird im Film “Fitzcarraldo“, von dem deutschen Regisseur Werner Herzog (1982) gross herausgebracht. Am Anfang des Films bahnt sich der opernbesessene Charakter Brian Sweeny “Fitzcarraldo“ Fitzgerald einen Weg zu jenem Opernhaus um den berühmten Enrico Caruso in Verdis “Ernani“ singen zu hören. Er kommt schliesslich erst gegen Ende der Oper dort an, und man sieht Szenen vom Innern des Hauses. Während man allgemein annimmt, dass die Oper von Manaus gebaut wurde, um Caruso zu ihrer Eröffnung einladen zu können, gibt es heute Zweifel, dass er je dort gesungen hat.
Das Theater steht auch zweimal in den Novellen von Eva Ibbotson: “Journey to the River Sea“ und “Company of Swans“ im Mittelpunkt des Geschehens. Beide sind Abenteuergeschichten, die hauptsächlich in der Stadt Manaus und Umgebung spielen (1912). Im ersten (Kinder) Buch gibt eine gastierende Theatergruppe in Manaus ein Gastspiel im Opernhaus, was kurz beschrieben wird – im zweiten Buch (für Erwachsene) führt eine gastierende Balletttruppe dort “Schwanensee, Giselle, Der Nussknacker“ und “La Fille Mal Gardée“ auf.
Autorin und Naturalistin Sy Mongomery gibt eine historische Beschreibung des Theaterbaus in ihrem Buch von 2001 “Journey of the Pink Dolphins“. Ausserdem wird das Amazonas-Theater in der Serie “State of Wonder“ von Ann Patchet erwähnt.