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Reisen in Brasiliens Amazonasgebiet

Veröffentlicht am 30. Juni 2012 - 00:50h

Der Amazonas – “Vater aller Flüsse“, an Länge wie an Wasservolumen grösster Strom und längste Wasserstrasse unseres Planeten (6.850 km, von den peruanischen Anden im Westen bis zum Atlantischen Ozean im Osten) ist ein fliessender Superlativ: Sechsmal so lang wie zum Beispiel der Rhein, von rund 1.100 Nebenflüssen gespeist, zwischen 10 und 100 Meter tief, zwischen 1,5 bis 6 Kilometer breit, mit einem Mündungsdelta von 250 Kilometern Ausdehnung, das ein Wasservolumen von bis zu 219.000 Kubikmetern pro Sekunde in den Atlantik befördert – das macht ihm keiner nach, nicht einmal Nil und Mississippi, die beiden nächst grössten, zusammen!

Das Amazonasbecken ist vom grössten zusammenhängenden Regenwaldgebiet der Erde bedeckt – sechs Millionen Quadratkilometer, von denen rund 60% auf brasilianisches Territorium entfallen. Man schätzt, dass in ihm zirka 10% aller Säugetiere und 20% aller Pflanzen- und Vogelarten der Erde vorkommen – klassifiziert hat man bisher mehr als 40.000 Pflanzen-, 427 Säugetier-, 1.294 Vogel-, 378 Reptilien-, mehr als 400 Amphibien- und rund 3.000 Fischarten. Eine unschätzbare Millionenzahl fliegender und krabbelnder Insekten – die oft auch zu den Plagen eines Amazonas-Abenteuers gehören – spielt eine bedeutende Rolle bei der Bestäubung der Pflanzen unter dem windstillen grünen Gewölbe. Heere von Ameisen beschleunigen die Zersetzung toter Materie und führen sie in lebende Substanz zurück.

Alljährlich, wenn während der so genannten Regenperiode die Niederschlagsmenge stark zunimmt, steigt der Wasserspiegel des Amazonas und seiner vielen Nebenflüsse um mehrere Meter an und setzt flache Ufer, die so genannte “Várzea“, sowie tiefer gelegene Waldgebiete, die “Igapós“, monatelang unter Wasser. Flora und Fauna dieser überschwemmbaren Areale haben sich diesen Umständen bestens angepasst, und die Eingeborenen profitieren von den angeschwemmten Nährstoffen, nachdem der Fluss wieder in sein normales Bett zurückgegangen ist, indem sie dieselben als Dünger für ihre Felder abtransportieren oder direkt an Ort und Stelle Pflanzungen mit schnell wachsenden Spezies anlegen.

Völlig unberührt vom technisierten südlichen Teil des Landes lebten bis vor knapp vierzig Jahren Amazoniens Ureinwohner in ihrem immergrünen Paradies – einfach, genügsam, in beispielhafter Harmonie mit der grosszügigen Natur, die ihnen alles gab, was sie zu ihrer bescheidenen Existenz brauchten – dafür dankten und huldigten sie ihr. Staunend und erschrocken verfolgten sie eines Tages aus ihrem grünen Vorhang heraus den plötzlichen Einbruch lärmender, Rauch speiender Monster in ihren angestammten Lebensraum, die Jahrhunderte alte Bäume entwurzelten, riesige Berge von Erde auf- und umschichteten und eine klaffende Wunde in den lebendigen Organismus ihres Waldes rissen.

Das war der Anfang eines auf 5.000 Kilometer Länge geplanten Strassenprojekts durch die bis dato unwegsame Wildnis – der Anfang des Projekts “Transamazônica“ der brasilianischen Militärregierung (1970). Nun, wir wissen heute, wie dieser Wahnsinn ausging: Noch bevor die aus dem Regenwald gefräste Erdpiste die bolivianische Grenze erreicht hatte, waren die Staatskassen leer – die geplante Asphaltierung wurde verschoben, und das nutzte Mutter Natur zur Selbstheilung ihrer Wunden: Heftige Regengüsse unterspülten die Dämme, Hochwasser brach die Holzbrücken entzwei, der Wind füllte tiefere Risse auf, grüne Pflanzenfinger schoben sich über den Narben zusammen. Inzwischen ist diese Piste nur noch abschnittsweise befahrbar, und auch nur während der Trockenperiode.

Es wurden zwar einige weitere Versuche gemacht, Amazonien durch Strassen zu erschliessen – im näheren Umfeld von Amazonas-Städten wie Belém, Santarém und Manaus ist dies auch schlecht und recht gelungen – aber alle grösseren Projekte dieser Art scheiterten an der Allgewalt der Natur und den ungeheuren Entfernungen, zwei Fakten, die eine regelmässige Instandhaltung solcher Pisten zu schwierig und zu teuer machen. Nach wie vor nutzen die einheimischen Amazonier am liebsten ihre uralten, natürlichen Wasserstrassen, die sie zwar langsam aber sicher, und durchaus angenehm, zu ihrem Ziel bringen – und Zeit hat man am Amazonas sowieso genug.

Der die Natur erhaltende Ökotourismus hat sich inzwischen in Amazonien stark ausgebreitet, und das ist gut so, denn immer mehr Menschen – sowohl Einheimische wie Besucher – sollen die Bedeutung des Regenwaldes erfahren und seine definitive Existenz für unseren gesamten Planeten begreifen. Wenn Ihnen diese Mission auch so am Herzen liegt wie uns, dann sollten Sie vielleicht die Faszination Amazonas für Ihre nächste Reise anpeilen?

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