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Transamazônica

Veröffentlicht am 25. November 2011 - 14:11h

Zu Beginn der 70er Jahre entwickelte die brasilianische Regierung einen “Plan der Nationalen Integration“ – ein Programm, das den Bau von Strassen, eine geplante Besetzung und bereits genannte Aktivitäten für die Installierung von Unternehmen in dieser Region vorsah. Aus diesem Projekt heraus entstand auch die Idee der “Transamazônica“ und der so genannten “Agrovilas“, die Tausende von Emigranten anlockten, mit dem Versprechen der Regierung auf ein eigenes Grundstück und Startkredite für den Aufbau einer Existenz im Regenwald. Aber sowohl die Schreibtischtäter der Regierung als auch die Siedler, die aus dem trockenen Nordosten kamen und sich im feuchten Amazonien eine bessere Zukunft erhofften, hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht – ohne die allgewaltige Natur.

Die armen Bauern aus dem Nordosten wussten nicht, dass der Regenwaldboden, den sie durch Abbrennen der Vegetation freilegten, äusserst arm an Nährstoffen ist, die dünne Humusschicht schon nach ein bis zwei Ernten verbraucht ist und der Sandboden darunter nicht für die Landwirtschaft taugt. Also brannten sie sich Jahr für Jahr weiter in die wuchernde, immergrüne Wildnis hinein – wenigstens diejenigen, die für eine Umkehr und Flucht zurück in ihre Heimat keine Mittel mehr hatten, denn die Startkredite hatten sie längst verbraucht. Es kam noch viel schlimmer: Krankheiten grassierten und wuchsen sich zu Epidemien aus – die heftigen Regenfälle, auf die sich die Nordestinos in ihrer trockenen Heimat so gefreut hatten, hier spülten sie die wenigen Nährstoffe aus dem Boden, überschwemmten die Grundstücke, bis auch ihr letzter Optimismus weg gespült wurde.

Die Transamazônica-Piste – 5.300 Kilometer lang, südlich des Amazonasstroms etwa parallel verlaufend, projektiert als Verkehrsader zur Entwicklung Amazoniens und als Verbindung zu den Nachbarn Kolumbien, Bolivien, Peru und Ecuador gedacht, wurde ein gigantischer Flop: Als man die “Rodovia Transamazônica“ am 30. August 1970 offiziell einweihte, hatte sie die Staatskasse geleert und war doch nichts weiter als eine unbefestigte Erdpiste – aber auch eine tiefe Wunde im lebendigen Organismus des Regenwaldes. Schon die ersten Regenfälle, die sich in Amazonien wie Sturzbäche aus dem Himmel ergiessen, weichten die Piste auf, Wasserströme durchbrachen die teilweise aufgeschütteten Dammstücke und schwemmten die Erde fort.

Schon wenige Tage nach der Einweihung war die Transamazônica an vielen Stellen unterbrochen. Es ist trotz aller Versuche die Piste immer wieder zu rekonstruieren, weggerissene Brücken zu erneuern und aufgeschüttete Dämme mit Rohren für den Wasserabfluss zu versehen, in vierzig Jahren nicht gelungen, dieses Strassenprojekt fertigzustellen – bis etwa 200km hinter Marabá (Bundesstaat Pará) konnte die Piste schliesslich asphaltiert werden, aber damit hat man gerade mal die Tür zum Regenwald aufgestossen (zirka ein Drittel der Gesamtstrecke) – dahinter ist eine aufgebrachte Natur kontinuierlich bemüht, die ihr zugefügte Wunde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wieder zu schliessen.

Der eigentliche Grund dieses und anderer Entwicklungsprojekte, welche während der Jahre der Militärdiktatur (1964 – 1985) von “Instituto Nacional de Reforma Agrária (INCRA) und der “Superintendêcia de Desenvolvimento da Amazônia (SUDAM) administriert wurden, drückt sich deutlich im Slogan jener Zeit aus: “Integrar para não entregar“ (Integrieren um nicht zu verlieren), er verdeutlicht die Angst der Diktatoren, vor einer Invasion Amazoniens durch Ausländer, welche nach ihrer Meinung schon lange auf die “Schätze Amazoniens“ scharf sind.

Und aus eigener Erfahrung kann ich anfügen, dass jegliche ausländische Kritik am befremdlichen Umgang der Brasilianer mit Amazonien von ihnen erstens als “Einmischung in ihre Angelegenheiten“ betrachtet und zweitens als “Versuch der Übernahme Amazoniens“ gewertet wird. Dass das “Thema Amazonien“ inzwischen die Welt bewegt – und zwar aus Sorge um seinen definitiven Schutz – betrachten die meisten Brasilianer als Ausdruck von “Neid und Missgunst“!

Übrigens haben die “Amazonênses“ viel Erfolg mit der Entwicklung eines “Dritten Wirtschaftszyklus“, dem Tourismus – besonders dem Ökotourismus – der inzwischen Tausende von internationalen und brasilianischen Touristen anlockt.

Der exekutiven Macht des Bundesstaates Amazonas stand der Gouverneur Amazonino Mendes vor, beliebtester Staatsmann Amazoniens, gewählt 1994 durch die “Partido Progressista Reformador“ (PPR) für ein Mandat von vier Jahren – danach wurde er wieder gewählt – heute steht Omar José Abdel Aziz (Partido da Mobilização Nacional PMN) an der Staatsspitze, denn die brasilianische Gesetzgebung erlaubt nur ein Wiederwahl. Die Legislaturversammlung des Bundesstaates setzt sich aus 24 staatlichen Abgeordneten zusammen, und ihre Vertretung beim National-Kongress besteht aus drei Senatoren und acht föderativen Delegierten.

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