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Das Volk der Yanomâmi

Veröffentlicht am 25. November 2011 - 14:18h

Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als das Volk der Yanomâmi zum ersten Mal in Kontakt mit Nicht-Indianern trat, begann sein Kampf gegen die Ausrottung. Die Eröffnung der “Perimetral Norte“ (eine Parallele der “Transamazônica“ nördlich des Amazonasverlaufs), in den 70er Jahren, kostete rund 1.000 Yanomâmi das Leben, und Ende der 80er starben mehr als 2.000 Yanomâmi an verschiedenen Krankheiten, welche von Goldsuchern eingeschleppt worden waren, die im Indianergebiet nach Gold schürften. Man schätzt, dass sich zwischen 1987 und 1991 zirka 40.000 Goldsucher unbefugt innerhalb des indigenen Reservats aufhielten. Zu jener Zeit lag der Flughafen von Boa Vista an zweiter Stelle hinsichtlich Starts und Landungen in Brasilien – er erreichte bis zu 500 Starts/Landungen pro Tag!

Es gibt viele Geschichten aus jener Zeit in Roraima. Zum Beispiel war es nichts Besonderes, wenn ein Goldsucher in einem Laden plötzlich drei neue Cabriolets auf einmal orderte, oder ein anderer die Türen eines Nachtclubs schliessen liess, und den anwesenden Gästen alles auf seine Rechnung präsentierte – ein anderer mietete ein Flugzeug oder einen Hubschrauber, um ein paar Runden über den Goldfeldern zu drehen . . . und wenn in der Regenzeit der trockene Teil der Piste zu kurz war zum Starten, bedienten sich die gut bezahlten Goldsucher-Piloten eines Tricks: Sie banden das Flugzeug mit einem Strick an einem Baum fest, dann erhöhten sie die Rotation ihres Propellers – und liessen sodann den Strick kappen – das kleine Flugzeug schoss davon und kam mit ein paar Metern Piste aus.

Bis in unsere Tage leiden die Yanomâmi unter der Gegenwart solcher Goldsucher, die sich auch durch Polizeimassnahmen einfach nicht definitiv vertreiben lassen und immer wieder ins Reservat zurückkehren. Die FUNAI (staatlicher Indianerschutz), deren offizielle Aufgabe es ist, solche Invasionen zu verhindern, hat wenig bis gar nichts dagegen unternommen – angeblich hat sie keine finanziellen Mittel, um sich zu engagieren. Daneben kämpfen die Yanomâmi noch gegen Epidemien von Malaria und Tuberkulose. 1998, als skrupellose Landbesetzer fast den gesamten Staat in Brand setzten, weil ihr Feuer ausser Kontrolle geriet, wurde auch das Yanomâmi-Reservat schwer geschädigt – viele Indianer erlitten schwere Brandwunden, als sie versuchten, ihren Wald zu retten. Die Indianer des Unteren Mucajaí und Ajarani mussten hilflos mitansehen, wie ihre Felder abbrannten – sie verloren alles durch das Feuer.

Die “Goldschürfer-Kultur“ ist bis zum heutigen Tag präsent in Roraima. Man kann sie in den Geschäften entdecken, die Gold ankaufen, zu hohen Preisen und auf dem zentralen Platz von Boa Vista, dem “Centro Cívico“ (Bürgerzentrum), wo man dem “Garimpeiro“ (Goldsucher) sogar ein Denkmal gesetzt hat – eine Statue von drei Metern Höhe, die einen Mann mit der “Bateia“ darstellt – der Schüssel zum Goldwaschen.

Das Volk der Yanomâmi lebt in einem Gebiet mit tropischem Regenwald in der Grenzregion zwischen Brasilien und Venezuela. In Brasilien liegt ihr Lebensraum im Nordwesten von Roraima und Amazonas, mit einer Ausdehnung von 94.191 Quadratkilometern. Man hat ihnen einst verschiedene, ganz unterschiedliche Namen gegeben, darunter: Waika, Guaika, Xiriana, Xirixana, Xamatari, Pakitai, Parahuri, Guajaribos, Karimé, Yawári. (Migliazza – 1972).

Die Yanomâmi-Sprache ist in vier Untergruppen aufgeteilt – jede mit ihrem spezifischen Dialekt: Sanumá, Yanam, Yanomam (oder Yãnomamé, oder Yainoma), Yanomamy (oder Yanomamo). Bis Ende der 80er Jahre konnte man sagen, dass die Yanomâmi die grösste indigene Gruppe Südamerikas bildeten – und, dass ihre Mehrheit noch ohne Kontakt mit Nicht-Indianern existierte und innerhalb ihrer traditionellen Sitten und Gebräuche lebte. Die Yanomâmi-Bevölkerung besteht heute aus zirka 24.000 Personen. In Brasilien leben davon zirka 11.000 – und davon etwa 80% in Roraima.

Ihre Dörfer bestehen in der Regel aus einem riesigen, konischen Gemeinschaftshaus, sie nennen es “Yano“ oder “Xapono“, das 100 Meter im Durchmesser und 10 Meter Höhe erreichen kann – in ihm wohnen etwa zehn bis fünfzehn Familien. Die Basis ihrer Ernährung sind Jagd, Fischfang, das Sammeln von Waldfrüchten und Ackerbau. Ihre Felder gehören der Gemeinschaft, sie pflanzen Maniok, Ananas, Bananen, Zuckerrohr und anderes. Aus der Maniok backen sie Fladenbrot, die Bananen essen sie entweder roh, gekocht, gebraten oder als eine Art Brei – Zuckerrohr wird gelutscht oder ausgepresst.

Des Weiteren produzieren sie Süsskartoffeln, Cará-Wurzeln, Papayas, Pupunha-Palmfrüchte, Tabak, Baumwolle, Heilkräuter und “magische“ Kräuter. Ihr Bogen ist aus dem Holz der Pupunha- oder Bacaba-Palme gefertigt, und die Bogensehne aus den Fasern der “Curauá“ (Ananas lucidus – Bromeliengewächs). Die Pfeilschäfte sind aus Schilfrohr, mit Federn des Auerhahns bestückt, die mit Baumwollfäden befestigt werden. Die Pfeilspitzen sind, je nach Art der beabsichtigten Jagdbeute, aus unterschiedlichen Materialien gefertigt.

Die Yanomâmi sind fröhliche Menschen – sie pflegen ihre Feste in die Erntezeit zu verlegen. Dann begeben sie sich zum Jagen und Fischen in kleinen Gruppen, auf unterschiedlichen Pfaden. Sie jagen Affen, Auerwild, Hirsche, Tapire und andere Tiere. Die Jagdbeute wird zerkleinert und dann “geräuchert“, um sie haltbar zu machen. Dann schicken sie Boten zu den benachbarten Kommunen, um sie einzuladen. In dieser Zeit der Festlichkeiten singen und tanzen sie, und tauschen ihre Neuigkeiten untereinander aus (die gesprochene Zeitung “Wayamu“). Solche feste dauern in der Regel zwischen drei und fünf Tagen.

Wenn ein Yanomâmi stirbt, wird er in seine Hängematte gewickelt und in einem Baum aufgehängt. Wenn der Körper anfängt, sich aufzulösen, sammeln sie die Knochen ein und verbrennen sie. In einem Ritual der Angehörigen des Toten mischt man ein wenig von seiner Knochenasche in den Bananenbrei, von dem alle essen. Die Reste werden am gleichen Ort der Leichenbestattung vergraben. Alles Eigentum des Toten wird ebenfalls verbrannt.

Die Welt der Yanomâmi ist reich an Mythen, die von den Älteren an die Jugend mündlich weiter gegeben werden. Der Schamane ist der spirituelle Führer seines Clans – während der Rituale, die auch zum Zweck einer Krankenheilung abgehalten werden, schnupft er ein haluzigenes Pulver aus Pflanzen, das sie “Yakoana“ nennen – sie glauben, dass seine Wirkung den “Wald für die Xapori öffnet“ – Geistwesen, welche dem Schamanen bei seinem Heilungs-Ritual assistieren.

Gegenwärtig studieren verschiedene Indianer in der Hauptstadt Boa Vista. Die Vorbereitung für eine “zivilisierte Zukunft“ ist Teil eines von den GNOs “CCPY“ und “MEVA“ entwickelten Projekts. Die CCPY unterhält einige Schulen zur Alphabetisierung der Muttersprache in den Dörfern des Demini, Toototobi und Balawau – während die Schulen der MEVA sich in Auaris und der Mission Palimiú befinden – eine weitere ist in Mucajaí, die von einer anderen ONG unterhalten wird.

In Ajarani gibt es bereits ein Problem von Alkoholismus unter den Yanomâmi – wegen des einfachen Zugangs zu den Pistenresten, die von der “Perimetral Norte“ übrig geblieben sind – in den Flecken Iracema und Caracaraí tauschen die Indianer Kunsthandwerk und handgefertigte Staubwedel und Besen gegen alkoholische Getränke. Einkerkerungen und Verprügelungen der Indianer sind dort häufig.

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