Der brasilianische Senat hat am frühen Mittwochmorgen (7.) das umstrittene Waldgesetz befürwortet. 59 Senatoren stimmten für die von der Umweltkommission des Senats eingearbeiteten Änderungen, neun votierten dagegen. Das Gesetz war bereits im Mai vom Abgeordnetenhaus beschlossen worden, die Parlamentarier müssen nun jedoch erneut über die Änderungen abstimmen, bevor es im letzten Schritt Staatspräsidentin Dilma Rousseff vorgelegt hat. Sie hat dann die Möglichkeit, die Neuregelung ganz oder teilweise abzulehnen.
Umweltschützer sehen in dem veränderten Gesetzestext, der nach letzten Umfragen von über 80 Prozent der brasilianischen Bevölkerung abgelehnt wird, einen Freibrief zur Abholzung des Regenwalds im Amazonasgebiet. Greenpeace sprach in einer Pressemitteilung in der vergangenen Woche sogar von einem „Todesurteil für Amazonien“. Auch die ehemalige Umweltministerin Marina Silva übte harsche Kritik: „Das Gesetz ist gut – für den, der schon abgeholzt hat“ so die Präsidentschaftskandidatin der brasilianischen Grünen.
Der neue „Código Florestal“ beinhaltet zahlreiche Änderungen und wurde in letzter Minute nochmals modifiziert, um der aus allen Seiten kommenden Kritik einigermaßen gerecht zu werden. Trotzdem bietet die Neuregelung unzählige Schlupflöcher, die sich bei einer Sanktionierung durch Präsidentin Rousseff schon kurzfristig auf den Waldbestand im ganzen Amazonasgebiet, aber auch bei den Mangrovenwäldern, dem Savannenland Cerrado oder dem fast inexistenten atlantischen Regenwald auswirken könnte.
Nachfolgend die wichtigsten Punkte des geänderten Gesetzestextes:
Gesetzliche Schutzgebiete
Native Waldgebiete auf Privatgrundstücken müssen zu einem gewissen Prozentsatz unangetastet bleiben. Dies sind derzeit im Amazonasgebiet – in Brasilien „Amazônia Legal“ genannt – 80%, im Cerrado (Savannen) 35% und in allen anderen Landesteilen 20%. Diese Werte bleiben unangetastet, allerdings kann der Wert in den Bundesstaaten, die mehr als 65% ihrer Fläche als Naturschutzgebiete, Reservate oder Indianer-Schutzgebiete ausgewiesen haben, auf 50% reduziert werden. Die Verringerung ist jedoch nur möglich, wenn der „Nationale Umweltrat“ dem zustimmt.
Gebiete dauerhafter Erhaltung
Derzeit sind Gefahrenzonen wie Abhänge, Hügelgipfel oder Randzonen von Flüssen und Bächen besonders geschützt. Diese dürfen aufgrund der zu erwartenden Erosion nicht abgeholzt werden.
Die Auwälder (Mata Ciliar) müssen derzeit bei Flüssen bis 10 Meter Breite eine Tiefe von 30 Meter betragen. In der Neuregelung hat der Senat die Eigentümer mit einer Fläche von bis zu vier fiskalischen Einheiten (je nach Bundesstaat ist eine Einheit zwischen zwanzig und vierhundertvierzig Hektar groß) ermöglicht, dass diese maximal 20% ihres Grundstücks dafür bereitstellen müssen. Für Eigentümer größerer Flächen gelten die Regelungen der regionalen Umwelträte für die Uferbereiche, wobei die Tiefe der Auwälder je nach Flussbreite (Kennzahl ist dabei die halbe Flussbreite) zwischen 30 und 100 Metern betragen muss.
Nun ist jedoch auch die Bewirtschaftung dieser Flächen für besondere Kulturen gestattet. Dazu zählen unter anderem auch Äpfel oder Kaffee. Ebenso ist nun die Viehhaltung an Hängen bis 45 Grad Neigung erlaubt.
Aufforstung / Strafen
Eigentümer von Grundstücken bis vier fiskalische Einheiten, die vor Juli 2008 geschützte Zonen abgeholzt haben, können ihre Strafe durch Aufforstung abwenden. Durch die Neuregelung ist dies nun auch für Besitzer größerer Flächen möglich.
Kleinbauern
Kleinbauern dürfen nach dem neuen „Código Florestal“ auch Felder in geschützten Zonen anlegen, wenn diese keine großen Umweltschäden verursachen. Dafür muss das betreffende Grundstück jedoch bei einer entsprechenden Umweltbehörde registriert sein und die Aktivitäten dort gemeldet werden. Damit soll der Anbau nicht nur legalisiert werden, der Staat will gleichermaßen entsprechende Daten über die Objekte sammeln, die Aktivitäten überwachen und entsprechend für den Kampf gegen die Abholzung auswerten.
Landwirte mit kleinen Flächen sollen zudem zukünftig für den „Schutz nativer Wälder, der Erhaltung natürlicher Schönheit und der Erhaltung von Biodiversität“ finanziell belohnt werden.
Regierungsprogramme
Innerhalb von 180 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes muss zudem die Regierung ein Programm einrichten, um den Erhalt des brasilianischen Waldbestandes und die Wiederaufforstung zu fördern.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des brasilien Magazins