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17. & 18. Jahrhundert

Veröffentlicht am 17. September 2014 - 19:12h

Während die Portugiesen sich der Aufgabe widmeten, Amazonien zu kolonisieren (1600 bis 1823), vertrieben sie systematisch alle anderen Europäer aus dieser Region – insbesondere die Spanier. Sie errichteten Forts, legten Dörfer und kleine Städtchen an, und bekehrten einen Teil der Indios, die ihre Besatzung überlebt hatten, zum Christentum. Ausserdem zwangen sie die Eingeborenen, auf ihren Plantagen zu arbeiten, als Sammler von Naturprodukten des Waldes, als Ruderer der Kanus während ihrer Reisen und als Soldaten zur Verteidigung und zur Inbesitznahme von Territorien.

Die Konvertierung der Indios und ihre “Descida“ (“Abstieg“ nannte man die Bekehrung der Indios durch die Missionare und das Verlassen ihrer Dörfer, um gemeinsam mit den Portugiesen zu leben, ihre katholischen Regeln und ihr Produktionssystem anzunehmen) beeinträchtigte die verschiedenen Kulturen und Produktionsweisen der indigenen Völker, die an den Ufern des Amazonasstroms und seiner Nebenflüsse lebten. Zu jener Zeit leerten sich die Siedlungen der Eingeborenen, denn viele von ihnen waren nicht mehr in der Lage, für ihre Familien und Kommunen zu sorgen, weil ihre Arbeitskraft von den Kolonisatoren in Anspruch genommen wurde – aber vor allem deshalb, weil ein grosser Teil von ihnen den Krankheiten, Kriegen und der skrupellosen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft zum Opfer fiel.

Aus dem Regenwald nach Europa

In ihren Anfängen basierte die portugiesische Ausbeutung von Amazoniens Ressourcen auf den Naturprodukten des Regenwaldes. Das heisst, aus der Region lieferte man, so wie aus dem gesamten kolonialen Brasilien, Rohstoffe per Schiffsfracht nach Europa – und der Amazonas-Region fiel dabei, durch ihre in Europa noch weitgehend unbekannten Produkte, eine besondere Rolle zu. Die Exporte bestanden aus Gewürznelken, Zimt, Paranüssen, Kakao, Pflanzenfarben, Pflanzenfasern, Heilpflanzen – “Sarsaparilla” (Stechwinde – wurde damals zur Behandlung von Syphilis verwendet), Felle von Grosskatzen, Kaimanen und Ottern, lebende Tiere, wie Papageien und Aras, Schildkröteneier, Öl vom Amazonas-Manati, und anderen. Ausserdem begann man schon damals mit der Ausbeutung von Edelhölzern. Besonders die exotischen Gewürze waren in Europa begehrt und fanden reissenden Absatz.

Sowohl die portugiesischen Siedler als auch die Missionare jener Zeit waren von der Arbeitskraft der Indios abhängig – die Einen von den Sammlern der Naturprodukte, die Andern von ihren Ruderern, um von einer Mission zur andern zu gelangen. Zur Eroberung der Indios bedienten sich die Portugiesen bestimmter Überläufer, die die Tupisprache beherrschten und die Lebensweise der Eingeborenen genau kannten – mit ihnen nutzten sie die Rivalität einiger Stämme, um als ihre Retter dazustehen. Ausserdem verfügten sie über Feuerwaffen und Kampfstrategien, durch die sie den Eingeborenen weit überlegen waren.

Kolonisten und Missionare hatten auch ein paar Pflanzen aus anderen tropischen Regionen mitgebracht, die sie nun in der brasilianischen Erde kultivierten, wie zum Beispiel Zuckerrohr, Baumwolle und Tabak. Und diese Pflanzungen wurden ebenfalls von den Indios unterhalten, gepflegt und abgeerntet. Insgesamt spielte die Arbeitskraft der Indios die fundamentale Rolle in der Besetzung und Erhaltung Amazoniens als Wirtschaftsregion der portugiesischen Eroberer.

Schenkungen und Beschenkte

Seit Beginn der portugiesischen Kolonisierung war Brasilien in so genannte “Capitanias hereditárias“ (Erblehen) unterteilt, das waren Ländereien, die als Schenkungen (donativos) vom portugiesischen König an seine Edelleute und bestimmte Vertrauenspersonen vergeben wurden, die man “Donatários“ (Beschenkte) nannte. Die Aufgaben der Donatários bestanden im Wesentlichen darin, ihr vom König erhaltenes Territorium zu kolonisieren, zu verteidigen und die Indios so zu behandeln, dass sie als brauchbare Arbeitskräfte einsatzfähig waren. Den Donatários war es erlaubt, die Bodenschätze und Naturprodukte Amazoniens auszubeuten. Die vom König vergebenen Ländereien wurden vom Vater auf den Sohn vererbt. Im Staat “Maranhão e Grão-Pará“ befanden sich die bedeutendsten Capitanias unter der direkten Gerichtsbarkeit der portugiesischen Krone.

Dieses System der Capitanias in Amazonien begann gegen Ende des 17. Jahrhunderts zusammenzubrechen, als der Staat “Maranhão e Grão-Pará“ mit geringen Ressourcen und fehlenden Arbeitskräften ums Überleben kämpfte. Die Kolonie war in dieser Region von der portugiesischen Krone im Stich gelassen worden, die kommerziellen Aktivitäten zurückgegangen, und die Siedler-Familien überladen mit Schulden. Verarmt, hing das Überleben der wenigen weissen Kolonisten von der Arbeit der versklavten Indios ab, die von Soldaten an der Flucht gehindert wurden, um die Geschäfte in Gang zu halten. Im Gegensatz zu anderen Kolonien im übrigen Brasilien, gab es nur wenige schwarze Sklaven in Maranhão e Grão-Pará. Und um die prekäre Situation weiter zu verschärfen, grassierte eine schreckliche Pockenepidemie (1690) in der Region, von der vor allem die Indios niedergestreckt wurden. Zur selben Zeit hatte das Mutterland Portugal mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen.

Seit Beginn der Kolonisierung hatten die Bewohner, die Autoritäten der Kolonie und die Missionare, an die portugiesische Krone appelliert, ihnen afrikanische Sklaven zur Bearbeitung ihrer Felder und Pflanzungen zu schicken – diese Petition wurde 1682 in Pará registriert. Man schätzt, dass es zu jener Zeit noch nicht mehr als sechshundert schwarze Sklaven in ganz Brasilien gab, viel weniger als von den Kolonisten in Amazonien angefordert, die in ihrer Region fünfhundert Sklaven pro Jahr einzusetzen gedachten. Und so kam es, dass sie auf den Einsatz afrikanischer Arbeitskräfte verzichten mussten.

Missionare und Missionen

5Indio und MissionarGegen Ende des 17. Jahrhunderts gab es weder wirtschaftliche Alternativen noch Kapital, um irgendwelche neuen Ideen zur Ausbeutung der bewährten Produkte aus dem Regenwald zu entwickeln. Deshalb lautete, in dieser zweiten Kolonisierungsphase (1700-1755), die Order aus Portugal, die Errichtung von Missionsstationen und von Missionaren geleiteten Dörfern der Kolonie (in erster Linie durch Jesuiten), voranzutreiben. Das Interesse der Krone bestand darin, die Besetzung und Ausdehnung des Territoriums mittels Kathequese und Feldarbeit fortzuführen. Ausserdem wurde die Konstruktion eines Verteidigungssystems befohlen, das durch Forts an strategischen Punkten die portugiesische Dominanz Amazoniens sichern sollte.

Von den Missionaren wurden die Indios als “Quellen der Sünde“ betrachtet – so der Bericht eines jener Gottesmänner – “denn sie liefen splitternackt umher, praktizierten teuflische Riten, lebten den Inzest, und oft assen sie sogar Menschenfleisch“.

Die Missionare reisten in Begleitung bewaffneter Expeditionen ins Innere des Regenwaldes, um Indios zu bekehren und sie in die bereitstehenden Missions-Dörfer abzutransportieren. Dort wurden sie zur Arbeit auf dem Besitz der Missionen, auf den Landgütern der portugiesischen Besatzer und zu Aufgaben für die Regierung, eingeteilt.

Während jener Epoche befolgten die Missionare die Order der portugiesischen Krone, mit der Bekehrung der Indios zum Christentum fortzufahren und ihre Arbeitskraft zur Erhaltung der Mission zu nutzen. Unter den religiösen Orden waren die Jesuiten als die energischsten, diszipliniertesten und am besten ausgebildetsten bekannt. Daher besassen sie grosse Macht über die indigenen Völker und vor allem grossen Einfluss beim portugiesischen Königshof.

Die “Padres“ der Jesuskompanie besassen grosse Fazendas zur Rinderzucht auf der Marajó-Insel, sie leiteten den Handel mit Tierfellen und landwirtschaftlichen Produkten (Baumwolle, Tabak und Reis), sowie den Kommerz mit Heilkräutern und Pflanzenfarben. Am Ende des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. waren sie durch ihre Geschäfte mit den indigenen Arbeitskräften reich geworden. Die portugiesischen Kolonisten andererseits waren verarmt, denn ihre Möglichkeiten der Nutzung indigener Arbeitskräfte waren beschränkt, und sie hatten auch keine Mittel, um schwarze Sklaven für sich arbeiten zu lassen. Darüber hinaus bereiteten ihnen die Unbilden des tropischen Klimas zusätzliche Probleme: Insekten, Parasiten, die Hitze und der wenig ergiebige Boden.

Verständlich, dass die Beziehungen zwischen Kolonisten und Jesuiten an Spannung zunahmen, denn beide Seiten waren an den Indios als Arbeitskräfte in ihren Pflanzungen und Missionen interessiert. Die Kolonisten beschuldigten die Padres immer wieder, dass sie Steuervergünstigungen erhielten, und dass sie den Indios keinen Lohn zahlen würden (damals in Form von Kleidungsstücken und Werkzeugen). Auf der anderen Seite lehnten die Jesuiten die Sklaverei und die schlechte Behandlung der Indios durch diese Kolonisten strikt ab. Tatsache ist, dass die Gesetze über die indigene Behandlung zu jener Zeit zwischen ihrer Freiheit (verteidigt von den Jesuiten) und der Versklavung (praktiziert von den Bewohnern der Kolonie) hin und her pendelten.

Das königliche Gesetz von 1680 unterteilte die ansässigen Indios auf folgende Art:

Arbeiter – sie werden in der Landwirtschaft und dem Sammeln von Waldprodukten eingesetzt.

  • Zur Verfügung der Missionare – sie helfen bei der Bekehrung anderer Indios, und bringen sie in die Missions-Dörfer.
  • Von der Regierung abgestellt für die Kolonisten – lediglich 20% der Indios standen damals den Fazendeiros und ihren Plantagen zur Verfügung.
  • Die indigenen Sklaven wurden gnadenlos ausgebeutet – die Europäer waren einfach in allem auf sie angewiesen. Das geht auch aus einem Bericht des Paters Antônio Vieira hervor, in dem er die Arbeit der Indios im Jahr 1653 beschreibt:

“Nicht einer dieser Eingeborenen arbeitet, ohne dass man Gewalt anwendet und ihn schlägt. Die Arbeit ist zermürbend, und viele von ihnen sterben jedes Jahr, denn der Rauch des Tabaks ist sehr giftig. Sie werden mit mehr Schlechtigkeit behandelt als die schwarzen Sklaven, man ruft sie mit hässlichen Namen, und sie werden unablässig gedemütigt und gekränkt – zu essen bekommen sie kaum etwas, und ihre Bezahlung ist unbedeutend“.

Unter dem Einfluss der Jesuiten schränkte die portugiesische Krone die indigenen Arbeitskräfte für die Kolonisten noch mehr ein. Ein neues königliches Schreiben – sechs Jahre nach dem Gesetz von 1680 – setzte fest, dass sämtliche Arbeitgeber den von ihnen akquirierten Indios eine angemessene Entlohnung zu zahlen und für ihre Verpflegung zu sorgen hätten.

Obwohl die Indios den Europäern in dieser Region zahlenmässig weit überlegen waren, konnten sie doch in diesem Disput zwischen Kolonisten und Missionaren nichts ausrichten. Jedoch flohen sie, wenn sich die Gelegenheit ergab, von Zeit zu Zeit zurück zu ihren Familien in den Regenwald. Empört über die aufgezwungenen Arbeitsbedingungen, organisierten sie sich im Versuch, den Soldaten zu widerstehen, deren Order es war, die entflohenen Sklaven zurückzuholen. Anfang des 18. Jahrhunderts gelang es dem Häuptling der Manaós, Ajuricaba, verschiedene indigene Stämme zusammenzubringen, um diese Truppen in der Region des Rio Negro zu bekämpfen.

Im Jahr 1750 besteigt Dom José I. den portugiesischen Thron, und lässt seinem Premierminister, Sebastião José de Carvalho e Melo – dem “Marquês de Pombal – in der Politik völlig freie Hand. Der Politiker reorganisiert die Gesetzgebung, die Wirtschaft und die portugiesische Gesellschaft – er modernisiert das Land. Und er ist ebenfalls verantwortlich für die Administration der portugiesischen Kolonie Brasilien.
In die Geschichte ist sein Wirken als “Administration Pombalina“ eingegangen – mit ihr beginnt die dritte Phase der kolonialen Besetzung Amazoniens (1757 bis 1798), geprägt vom “Direktorium der Indios“ und dem Rausschmiss aller Jesuiten aus Brasilien (1759).

Der Marquês de Pombal war gegen die Herrschaft der Jesuiten-Pater über die Indios der Kolonie und beschuldigte sie der illegalen Geschäftemacherei und Aufwiegelei der Eingeborenen gegen die portugiesische Krone. Die ständig wachsende Macht der Jesuiten war der Krone ein Dorn im Auge. Nachdem die Jesuiten des Landes verwiesen worden waren, konfiszierte man ihren gesamten zusammengerafften Reichtum zum Verkauf: 135.000 Rinder, 1.500 Pferde, 22 Fazendas, Gebäude, Kakaopflanzungen, und viele andere Güter.

Ein mutiger Häuptling

5AjuricabaDass die den Portugiesen zahlenmässig weit überlegenen Indios sich überhaupt versklaven liessen, kann eigentlich nur durch die Tatsache erklärt werden, dass ihnen die Portugiesen strategisch, und vor allem durch ihre Bewaffnung, weit überlegen waren. Dazu kam, dass sich die nackten Indios vor den gepanzerten Soldaten fürchteten – sie als unbesiegbare Krieger aus einer anderen Welt ansahen und sich meist widerstandslos in ihr Schicksal fügten.

Nicht so der Anführer der “Manaós“, Ajuricaba, dessen Heimat im heutigen Bundesstaat Amazonas, zwischen Manaus und Manacapuru lag. Anfang des 18. Jahrhunderts gelang es ihm, verschiedene lokale Stämme zu vereinen, um gegen die Portugiesen in den Krieg zu ziehen. Er versicherte sich einer Allianz mit den Holländern, die begierig waren, den Portugiesen ein Stück von Amazonien abzuzwacken, und dann hisste er die holländische Flagge in seinem Kanu, um damit die Portugiesen zu provozieren. Mit erbeuteten Feuerwaffen griffen die Manaós Missionen am Rio Negro an, um zu verhindern, dass die Portugiesen andere Indios innerhalb ihres Einflussbereichs in die Sklaverei abführten.

Die Konflikte mit dem aufsässigen Indio-Häuptling und seinen Getreuen ergaben sich im Gebiet des unteren Rio Negro (wo sich heute Manaus befindet) bis hinunter zum Rio Branco (wo heute die Stadt Boa Vista liegt) – zwischen 1723 und 1727. Das von Ajuricaba organisierte Überwachungssystem erschwerte den Portugiesen die Benutzung von Flüssen und Seen zum Reisen oder zum Fischen. Mit seiner Kriegstaktik verliess er sich auf die grossen Entfernungen zwischen den bedeutendsten Lokalitäten von Grão-Pará und Rio Negro, denn die machten eine schnelle Reaktion der Portugiesen unmöglich.

Schliesslich führte der Portugiese Belchior Mendes de Morais im Jahr 1727 einen Grossangriff gegen Ajuricaba durch. Der Indio-Häuptling wurde gefangen und nach Belém geschickt. Während dieser Bootsreise, mit schweren Ketten gefesselt, zog Ajuricaba es vor, sich in die Fluten des Amazonasstroms zu stürzen, als durch die Hand seiner Feinde zu sterben. Sein Volk, und auch die Portugiesen, betrachteten seinen Selbstmord als Tat eines tapferen Helden.

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