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Zivilisationskrankheiten erreichen Indios in Amazonien

Veröffentlicht am 27. Oktober 2013 - 19:28h unter Aktuelles aus Brasilien

etnia-kisedjeDie brasilianischen Ureinwohner in den Tiefen des Amazonas leiden aufgrund verstärkter Kontrollen und verbesserter medizinischer Versorgung heute seltener an Infektionskrankheiten wie Malaria, dafür machen sich in den kleinen Dörfern inmitten des undurchdringlichen Dschungels immer häufiger die Krankheiten moderner Zivilisationen breit. Ganz vorne dabei: Bluthochdruck und Stoffwechselstörungen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der staatlichen Universität von São Paulo (Unifesp), bei der über einen längeren Zeitraum das Volk der Khisêdjê – auch bekannt unter dem Namen Suyá – beobachtet und medizinisch betreut worden ist. Die Mitglieder des Stammes leben im Xingu-Nationalpark, einem gut 27.000 Quadratkilometer großen Schutzgebiet im Norden des Bundesstaates Mato Grosso und damit weit entfernt von jeglich größeren Städten.

Obwohl die Ethnie sich einen Großteil ihrer Kultur bewahrt hat, sind sie vor den „modernen Krankheiten“ nicht gefeit. Für die Studie „Ein ernährungswissenschaftliches und metabolisches Profil der Khisêdjê“ wurden im Jahr 2011 insgesamt 179 Mitglieder des Stammes untersucht. Dabei war Bluthochdruck die an häufigsten festgestellte Erkrankung, ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen einer Untersuchung aus dem Jahr 1965, wo als häufigste Todesursachen Malaria, Atemwegserkrankungen und Durchfall festgestellt wurden.

Auch wenn heute Infektionen und parasitäre Erkrankungen noch immer einen wichtigen Faktor bei den Todesursachen darstellen, sogenannte „nicht übertragbare chronische Krankheiten“ wie Bluthochdruck, Zuckerintoleranz (als Vorstufe von Diabetes) oder Fettstoffwechselstörungen sind sprunghaft angestiegen. Dabei liegt die Krankheitshäufigkeit momentan zwar noch niedriger als bei der nicht indigenen Bevölkerung, es zeigt jedoch auf, dass sich Krankheiten bei einer Bevölkerungsgruppe ausbreiten, wo diese Erkrankungen eigentlich irrelevant sein sollten.

Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass schon geringfügige Änderungen in der Lebensweise den Vormarsch der „Zivilisationskrankheiten“ provozieren. So nutzen die Indios heute viel häufiger kleine Außenbordmotoren statt Paddels an ihren Kanus. Zudem kommen die Ureinwohner trotz einer fünfstündigen Fahrt in die nächste Ortschaft mit industriell gefertigten Nahrungsmitteln in Kontakt. Letztendlich sinken durch das „angenehmere Leben“ die physischen Aktivitäten der Stammesmitglieder, die sich zuvor über Jahrhunderte vom Fischfang, dem Jagen und der Landwirtschaft ernährt hatten.

Nicht verwunderlich ist daher auch die Tatsache, dass gemäß der Studie gleich 36 Prozent der untersuchten Frauen und sogar 56,8 Prozent der untersuchten Männer an Übergewicht oder sogar Fettleibigkeit leiden. Auf alle Indio-Völker im Amazonas wollen die Wissenschaftler aus São Paulo allerdings ihre Studie nicht verallgemeinert wissen. Es gebe weiterhin große kulturelle und natürliche Unterschiede zwischen den Khisêdjê und anderen indigenen Gruppen Amazoniens. Trotz allem sei die Ausbreitung er neuen Volkskrankheiten generell nicht mehr aufzuhalten, wie auch eine ähnliche Studie unter dem Volk der Xavantes in einer anderen Region Amazoniens zuletzt aufgezeigt habe.

Im Xingu-Nationalpark leben derzeit noch rund 5.500 Ureinwohner aus 15 verschiedenen Ethnien in 61 Dörfern.

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