Weil Brasilien angesichts der Wirtschaftskrise Investoren braucht und auch, weil Präsident Michel Temer seine Verbündeten befriedigen will, hatte er vergangene Woche per Dekret schlicht die Auflösung der “Reserva Nacional do Cobre e Associados“ (Renca) erlassen.
Die wurde 1984 von der Militärdiktatur eingerichtet, um eine Vorbehaltsfläche für den Abbau von Gold, Mangan, Eisen und anderen Mineralien zu garantieren. Tätig wurde der Staat nicht. Stattdessen hat der Reservatsstatus zu einem Schutz und zum Erhalt des artenreichen Bereiches im Amazonas-Regenwald geführt. In der Renca befinden sich zudem Schutzgebiete und Indio-Territorien.
Die Absicht Temers hat einen enormen Aufschrei ausgelöst. Umweltschützer, Wissenschaftler und Stars, wie das Top-Model Gisele Bündchen, warfen ihm den Ausverkauf des Amazonas-Regenwaldes vor und sprechen von einer Attacke auf die grüne Lunge des Planeten.
Sie befürchten durch die Auflösung des Reservats und die Ausbeutung eine Zerstörung des Regenwaldes von bisher ungeahnten Ausmaßen. Angeführt werden Kahlschläge, die Verseuchung von Flüssen und die Bedrohung der dort lebenden indigenen Völker.
Katholische Bischöfe von neun Ländern, über die sich der Amazonas-Regenwald erstreckt, haben mit einem internationalen Brief protestiert und von einer „antidemokratischen“ Bedrohung gesprochen. Kritik gab es selbst von Verbündeten der Regierung.
Vom Umweltministerium hieß es noch im Juni, dass das Reservat gut erhalten und außerordetlich sei. Darüber hinaus hieß es, dass eine Auflösung zu einer Erhöhung der Kahlschläge in der Region führen könnten.
Temer versucht hingegen, ein anderes Bild zu zeichnen. Es sei keineswegs ein “Paradies“ sagt er und verweist auf illegale Schürfgruben. Die werden im Bericht des Umweltministeriums indes als nicht ausreichend erachtet, um sie als Argument für Veränderungen des Reservats zu verwenden.
Eingeschaltet hat sich ebenso die Justiz. Ein Bundesgericht hat das Dekret Temers suspendiert und vom Obersten Gerichtshof werden Erklärungen verlangt. Laut Gesetz darf ein Schutzgebiet nur nach eingehender Debatte im Kongress und nach öffentlichen Anhörungen verändert werden. Dies ist Temer mit dem Dekret umgangen.
Angesichts des starken Gegenwindes hat das Bergbauministerium einen vorläufigen Rückzieher angekündigt. Die Auflösung und die Prozesse zur Vergabe von Schürfrechten sind damit vorerst auf Eis gelegt, um das Thema „ausreichend zu debattieren“, wie es heißt.
Kritiker befürchten hinter der 120-tägigen Suspendierung jedoch eine Taktik, um von dem Vorhaben abzulenken. Nach Abflauf der Frist, wenn die Aufmerksamkeit abgeflaut sei, könnte die Ausbeute ohne großes Aufhebens beginnen, so ihre Sorge.
Die Freigabe des Reservats für die Ausbeutung durch den Bergbau ist nicht die einzige Bedrohung des größten Regenwaldes der Erde. Vor Kurzem hatte der Kongress die Verkleinerung mehrerer Schutzgebiete beschlossen. Davon betroffen wäre ebenso der Nationalwald Jamanxim.
Wegen massiver Proteste und aus Sorge, Zahlungen von Norwegen für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes zu verlieren, legte Präsident Temer zunächst ein Veto dagegen ein. Kurz später hat er allerdings das gleiche Vorhaben noch einmal als Gesetzesveränderung eingereicht. Die Ausmaße haben sich dabei nur unmerklich geändert.
Vordergründig sollen mit der Verkleinerung des Nationalwaldes Jamanxim die im Gebiet ansässigen Kleinbauern Rechtssicherheit erhalten. Tatsächlich hat das Schutzgebiet nach seiner Ausweisung massiv unter Invasionen gelitten. Beansprucht werden jedoch von Großgrundbesitzern und auch Sägereibesitzern Flächen von mehreren tausend Hektar.
Beschlossen wurde ebenso ein Gesetz, das die Legalisierung von besetzten Flächen vorsieht (Posse). Bei der Posse handelt es sich um einen Besitzanspruch eines Grundstückes, der bisher nicht rechtlich abgesichert ist. Nach dem neuen Gesetz können damit jedoch auch bis 2011 illegal besetzte öffentliche Flächen legalisiert werden.
Auch dabei werden Kleinbauern vorgeschoben. Laut den Änderungen können allerdings Flächen von bis zu 2.500 Hektar legalisert werden, eine Größe, welche die von Kleinbauern beanspruchten Flächen bei weitem übersteigt.
Angesichts der Signale die von den durch die Regierung veranlassten und beabsichtigten Veränderungen ausgehen, befürchten Experten und Umweltschützer einen Anstieg der Kahlschläge und der Zerstörung.