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Die Hevea Brasiliensis

Veröffentlicht am 25. November 2011 - 13:50h

Europäer kannten die Hevea Brasiliensise schon seit der Entdeckung des Christoph Columbus. Andere Reisende beobachteten, wie die Indianer aus ihrem Saft hergestellte Kugeln hüpfen liessen und damit spielten. Und es war der französischen Wissenschaftler Charles Marie de la Condamine, der den elastischen Stoff erstmals nach Europa sandte. Er nannte den milchig-trüben Extrakt, der aus einem bestimmten Baum tropfte, wenn man seine Rinde anschnitt, “Latex“ (nach dem spanischen Wort für Milch).

Er verbrachte vier Monate auf dem Amazonasstrom (1743) zur Erforschung und Beobachtung der fremdartigen Pflanzen, Tiere und den Gebräuchen der eingeborenen Indianer. Dabei entdeckte er einen hohen Baum (dem man später den Namen “Hevea Brasiliensis“ gab), aus dessen Stamm die Indianer einen milchigen Saft extrahierten. Mit der Gerinnung ging die Flüssigkeit über in ein formbares, elastisches Material. Die Indianer fertigten aus ihm verschiedene Dinge, wie zum Beispiel Spritzen, Behälter, Bälle und allerlei anderes Spielzeug.

La Condamine sandte einiges Material davon nach Frankreich und publizierte später ein Buch, welches als erstes wissenschaftliches Werk über Amazonien gilt. Dr. Joseph Priestley, der Entdecker des Sauerstoffs, gab dem elastischen Material seinen englischen Namen “Rubber“, nachdem er festgestellt hatte, dass es sich bestens zum radieren (to rub out) von Bleistiftmarkierungen verwenden liess.

1823 entdeckte der schottische Chemiker Charles Macintosh, dass man Mäntel mit einer “Rubber-Verdünnung“ wasserdicht (waterproof) machen konnte. Aber seine “Macintosh-Mäntel“ hatten ein Problem: Im Winter wurden sie hart und brüchig, und im Sommer schmolz ihre Beschichtung.

Der Boom am Amazonas begann nach 1839, als der Amerikaner Charles Goodyear den Vulkanisierungsprozess erfunden hatte, der verhinderte, dass der “Rubber“ sich bei Hitze verflüssigte und bei Kälte brüchig wurde. Jetzt war der “Rubber“ für eine endlose Zahl von Produkten qualifiziert, wie Regenkleidung, Dampfmaschinen, Fahrradreifen, elektrische Isolierungen und schliesslich Autoreifen. Obwohl man auch damals schon das Rohmaterial Latex in anderen Bäumen der Welt fand, war doch der Latex aus Brasilien weitaus von der besten Qualität – der Siegeszug der Hevea Brasiliensis war nicht mehr aufzuhalten.

Zahllose Ausländer kamen nach Manaus, um sich eine Scheibe vom “Gummi-Boom” abzuschneiden. Spekulanten aus Frankreich, England, Deutschland, Portugal, Spanien, Italien, Syrien und anderen Teilen der Welt suchten nach Kautschukbäumen in Amazonien – befuhren den Amazonasstrom und seine Nebenflüsse. Die Gewinnung des Latex (oder Kautschuks) war keine einfache Sache, und man rekrutierte viele Eingeborene für diese Arbeit. Einige von ihnen wurden schamlos ausgebeutet, litten und starben unter schrecklichen Bedingungen. Unter zwanzig Bürgern von Manaus gab es damals mindestens einen Ausländer – Bankiers aus Stuttgart, Händler aus Lissabon, Ingenieure aus London, und viele andere.

Mit der wachsenden weltweiten Nachfrage nach Gummi aus Brasilien, stieg auch sein Preis kontinuierlich. Die Gummiexporte wuchsen rasant, und die Regierung des Bundesstaates Amazonas belegte den Gummiexport mit einer zwanzig- bis fünfundzwanzigprozentigen Exportsteuer. Mittels dieser Profite verwandelte der Gouverneur Eduardo Gonçalves Ribeiro, ein ehemaliger Militäringenieur, die Stadt Manaus in jene, bereits beschriebene Luxus-Metropole, die mit Recht den Anspruch erhob, Brasiliens modernste Grossstadt zu sein.

Gegen Ende des Jahres 1890, dem Höhepunkt des Gummi-Booms, besass die Stadt auch ein neues Strassennetz mit bis zu 30 Meter breiten Alleen. Und neben dem Gebrauchswert der Stadt für ihre Bürger, wünschte sich ihr Gouverneur auch Schönheit. Also liess er herrliche öffentliche Gebäude erstellen, Parks und Gärten anlegen. An feuchtwarmen Abenden, durch die äquatoriale Hitze, begab sich die Elite der Stadt in die Parks, um Konzerten zu lauschen, die vom Gouverneurs-Orchester dargeboten wurden – sie schlenderten herum, um ihre Kleider zu präsentieren oder sassen in den Cafés am Rand der breiten Avenida Eduardo Ribeiro – mit der sich der Gouverneur selbst ein Denkmal gesetzt hatte – oder sie besuchten ihr herrliches Opernhaus, um der Vorstellung einer europäischen Truppe auf Tournee in Manaus beizuwohnen.

Die Stadt hatte jetzt eine Rennbahn, eine Stierkampfarena, vierundzwanzig Bars, sechsunddreissig modische Ärzte, elf phantasievolle Restaurants und sieben Buchläden. Die Einheimischen, die alle sehr stolz auf ihre Stadt waren, pflegten den deutschen Forscher Baron Friedrich Alexander von Humboldt zu zitieren, der einhundert Jahre zuvor gesagt hatte: “Dort (er meinte das Amazonasbecken), wird früher oder später die Weltzivilisation ihren Anfang nehmen“. Und ein Gummibaron liess sich bei einem Bankett vernehmen: “Kein erwachsenes Herz kann Manaus als geringer denn fabulös empfinden“! Der Lebensstil jener Gummibarone war in jeder Hinsicht einfach aussergewöhnlich.

Ein gewisser Waldemar Scholz hatte einen Löwen als Haustier, eine riesige Yacht, Motorboote, und seine Diener trugen Uniformen. Kommandant Frotta gab einen Palast in Auftrag, um in ihm seine Pferde unterzubringen – dann liess er ein paar Änderungen einfliessen, die ihm so gut gefielen, dass er selbst in einen der Flügel einzog. Andere zündeten ihre Zigarren mit Geldscheinen an, schickten ihre schmutzige Wäsche nach Paris und orderten ihre Lebensmittel in Europa. Victor von Hagen, der ein Buch über die Suche nach dem “El Dorado“ schrieb, äusserte sich so: “Manaus ist tatsächlich zum El Dorado geworden. Gold fliesst durch seine Strassen wie Wasser. Die gesamte Stadt befindet sich im Rausch des Reichtums. Man verzehrt “Pate de foie gras“, Crosse & Backwell’s Marmeladen, Huntley & Palmer’s Biskuits, importierte Weine aus aller Welt. Man setzt sich zu einem Abendessen, dessen Butter aus Cork stammt, die Biskuits von Boston, der Schinken von Porto und die Kartoffeln aus Liverpool“.

Die Lebensmittel kamen mit den Dampfschiffen aus Europa und Nordamerika, die wegen des Latex-Exports Manaus anliefen. Handel zwischen Manaus und dem Rest Brasiliens gab es kaum. Wer hätte auch etwas von Rio de Janeiro gewollt, wenn man es aus Paris bekommen konnte? Und weil Manaus der Hoffnung war, die nächste Hauptstadt Brasiliens zu werden, war es nur verständlich, dass man von allem nur das Beste akzeptierte.

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