Gifte und Medikamente
Unter den von Indianern der verschiedensten Ethnien am meisten verwendeten Giften Amazoniens sind in erster Linie verschiedene Arten von Lianen zu nennen, die sie zusammenfassend als “Timbó“ bezeichnen – wobei hauptsächlich die Spezies Paullinia, Serjania und Tephrosia zur Anwendung kommen. Die Indianer zerquetschen frische Lianenstücke mittels grossen Steinen über dem Wasser, oder sie zerschlagen sie an einem übers Wasser ragenden Stamm – vorzugsweise in stehenden Gewässern – das Gift betäubt die Fische, die dann auf der Wasseroberfläche treiben und aufgesammelt werden können. Das Gift hat keine Wirkung auf den Verzehr der anschliessend gekochten oder gegrillten Fische – aber wenn man die ausgekochte Brühe trinkt, bekommt man starken Durchfall.
Diverse Lianen aus Amazonien enthalten eine toxische Substanz, die “Curarina“ genannt wird – zum Beispiel die Liane Abuta candigans und die Echites cururu. “Curarina“ ist ein Bestandteil des berüchtigten “Curare“, einem Gift, mit dem die Indianer ihre Pfeilspitzen bestreichen, um mit ihnen eine tödliche Wirkung zu erzielen. Zu den toxischen Lianen gehören auch die Adenocalymna alliaceum – sie provoziert Durchfall – und die Davilla latifolia, sowie die Euphorbia phosphorea – beide enthalten Nesselsäure.
Zum Gebrauch für die Vergeistigung ist die Liane Banisteriopsis caapi ebenfalls unter den Eingeborenen gut bekannt – ihr Saft ist Bestandteil einer Infusion, die Halluzinationen hervorruft – sie wird von Adepten der “Ayahuasca“ zubereitet. Ein Wort aus der Ketchua-Sprache der Amazonas-Indianer aus Peru und Kolumbien, es bedeutet “Seil der Seele“ oder “der Geister“ (aya = Seele, Geist – waska =Liane, Seil). In dem Extrakt sind ausserdem Blätter eines Busches (Psychotria viridis) und Blätter anderer Lianen, wie zum Beispiel (Diplopterys cabrerana) enthalten.
Unter den bedeutendsten Lianen der traditionellen Hausmedizin sind zu nennen: Apodathera smila cifolia, entzündungshemmend und blutreinigend – Mikania hirsutissima, gegen chronischen Durchfall und Rheumatismus – Davila rugosa, stimulierend, blutreinigend und Aphrodisiakum – Tynnanthus fasciculatus, wird als magenberuhigend bezeichnet – Chiococca racemosa, harntreibend und abführend – Pyrostegia venusta, gegen Durchfall – Anchietea salutaris, zur Behandlung von Ekzemen und Entzündungen der Haut.
Faserpflanzen
Unter den Lianen mit starken Fasern ist eine der bekanntesten die Heteropsis flexuosa, überall von den Waldbewohnern eingesetzt, wo es etwas zu befestigen, zu verbinden, gibt – für sie ist diese Lianenart so gut wie ein Stahlseil. Nachdem man ihre Rinde entfernt hat, und auch ihre Mitte, die zerbrechlich ist, kann man sie verflechten, Lasten mit ihr befestigen oder sie zur Herstellung von Körben benutzen.
Als die Indianer noch keine Nägel und Schrauben kannten, benutzten sie diese Liane zum Binden ihres gesamten Hausgerüsts. Allerdings haben Möbelhersteller inzwischen den Wert dieser Liane zur Bindung ihrer Rohrmöbel erkannt und schon ist der Naturvorrat in verschiedenen Bundesstaaten, wie Maranhão, Rondônia und Pará, gefährdet. Deshalb hat die IBAMA (Instituto Brasileiro de Meio Ambiente e Recursos Naturais Renováveis) die Kontrollen über den Abbau verstärkt – man erlaubt inzwischen nur noch die Extraktion für den Eigenbedarf. Ausserdem studiert man derzeit gewisse Regeln, um die Ausbeutung der Natur in vertretbaren Grenzen zu halten – das heisst: nur soviel aus der Natur zu extrahieren, wie sie ersetzen kann. Im Jahr 2000 hat der Umweltschutz von Amapá die Extraktion dieser Lianenart für eine Dauer von fünf Jahren verboten.
Zwei andere wichtige Faserlianen für das funktionelle Kunsthandwerk – zum Beispiel für die Herstellung von Körben zum Tragen, für die Konstruktion von Fallen und für Gerüste von Hütten und Unterständen, sind die Desmoncus polycanthus, eine der seltenen Lianen-Spezies, die zur Familie Palmae (der Palmen) gehören – und die Imbê (aus der Philodendron-Familie).
Millefiori aus Holz
Die Technik ist uralt, sie kommt wahrscheinlich aus Mesopotamien, lange vor Christus. Seit jener Zeit bündelten die Juweliere verschieden farbige Glasstäbe, um sie anschliessend quer in wenige Millimeter dicke Glasplättchen zu zerschneiden – das entstandene Farbmosaik wurde dann noch mit einem transparenten Lack behandelt. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass die ägyptischen Pharaonen solche Plättchen-Mosaiks als Schmuck trugen – und im 12. Jahrhundert machten sie geschickte italienische Kunsthandwerker reich, deren Öfen man aus Venedig heraus und auf die Insel Murano schaffte – einerseits, um die Stadt vor dem Risiko einer Feuersbrunst zu bewahren, andererseits, um das Geheimnis dieser ertragreichen Kunst zu bewahren. Damals, in Italien, war dieses Kunsthandwerk bekannt unter der Bezeichnung “Millefiori“ (Tausend Blumen) – dann bekam es den Namen der Insel und wurde weltbekannt als “Glaskunst aus Murano“.
Nun, was haben diese Kunstwerke aus Glas mit den Lianen zutun? Das genau möchte ich Ihnen jetzt erklären: Im Brasilien von heute gibt es Kunsthandwerker, die in der gleichen Technik der “Millefiori“ Lianenstücke quer durchschneiden. Denn die unterschiedlichen Lianenarten – deren Querschnitt zwischen Daumen- bis Oberarmstärke schwankt, manche sind sogar noch dicker – können zwar nicht mit besonders attraktiven Farben aufwarten, präsentieren aber dafür ganz unterschiedliche, sehr dekorative Querschnittsmuster, und die sind den kreativen Kunsthandwerkern aufgefallen.
In Alta Floresta (Bundesstaat Mato Grosso) produziert die Schreinerei “Sumaúma“ dekorative Objekte und Möbelzubehör mit Lianenstücken diverser Spezies aus Amazonien. Die Mitarbeiter schneiden die Lianen in Scheiben und setzen sie dann zu entsprechenden Verwendungszwecken zusammen – mittels Sägemehl und Leim – danach werden sie geschliffen und poliert.
Die gleiche Technik – in diesem Fall mit Lianen aus dem Atlantischen Regenwald – wird von Behinderten in Visconde de Mauá (zwischen Minas Gerais und Rio de Janeiro) angewendet. Zweifellos eine Alternative von geringem ambientalen Schaden (weil dazu verschiedene Lianen-Arten Verwendung finden, und nicht nur eine einzige Art ausgebeutet wird) und besonders grossem Gesamtnutzen (die Verwertbarkeit liegt in diesem Fall bei zirka 90%), wenn man sie mit anderen Alternativen der handwerklichen Nutzung von Lianen vergleicht.