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Lianen

Veröffentlicht am 22. November 2011 - 18:52h

Die Lianen sind sozusagen das Qualitätssiegel der tropischen Regenwälder – die längsten, holzigen Pflanzen der Dschungel, die einerseits die Erhaltung der Tierwelt unterstützt, auf der anderen Seite aber auch Gifte produzieren, die sich der Mensch zum Erlegen der Tiere zunutzen gemacht hat – und die Substanzen enthalten, die inzwischen das Interesse der modernen Wissenschaft geweckt haben.

Die im Brasilien vorkommenden Lianen-Arten sind von einer beeindruckenden Vielgestalt – ob am Amazonas oder im Atlantischen Regenwald. Grundverschieden von den Bäumen oder anderen Blattpflanzen und Gräsern, ziehen diese fremdartigen Pflanzen mit ihren langen Fasern sofort die gesamte Aufmerksamkeit der Touristen auf sich – besonders wegen ihrer vielgestaltigen, spiralförmig gewundenen, ineinander verschlungenen Formen. Oder auch, weil sie zum sich wiegen und schwingen verleiten – unsterblich gemacht in den Filmen des Affenmenschen Tarzan. Für die Individuen, die hier leben – ob Mensch oder Tier – sind sie noch viel mehr: Sie enthalten heilende Stoffe, sie enthalten Gifte, und sie enthalten Geheimnisse, die zwischen Leben und Tod entscheiden können!

Die Lianen sind Pflanzen von grosser Elastizität und Widerstandsfähigkeit – sie repräsentieren etwa 25%der holzigen Spezies der Regenwälder. Und manchmal erreichen sie eine so grosse Bestandsdichte, das man das entsprechende Ökosystem nach ihnen benannt hat: Mata de cipó, Cipoal oder Cipotiba (Liane = Cipó). Ihr holziger Stamm folgt einer einzigartigen Wachstums- und Stützstrategie – er belässt seine Wurzeln im Erdboden und erreicht selbst die Baumkronen – 20 bis 30 Meter hoch – und in vielen Fällen wendet er sich dann wieder zurück zum Boden und umschlingt andere Bäume, alles um das Licht an verschiedenen Stellen zwischen dem dichten Grün zu erreichen – und dort entwickelt er seine Blätter und Blüten – und sogar Früchte.

Die Registrierung der Gesamtlänge eines solchen Lianenstammes ist stets fehlerhaft, wegen der Schwierigkeit, solche Lianen in ihrer Gesamtheit zu sammeln oder auch nur vor Ort zu vermessen. Ein paar Schätzungen belaufen sich auf eine Durchschnittslänge von 70 Metern und extreme Fälle auf über 200 Meter. Jedoch wäre ein grosser technischer Aufwand notwendig, um an vertrauenswürdige Zahlen zu kommen – und ein grosser Teil dieser Pflanzen hat nicht mal einen Namen.

Die Lianen faszinierten verschiedene Naturforscher des 19. Jahrhunderts, wie Charles Darwin zum Beispiel, der sie nach ihren Stütz- und Vernetzungssystemen klassifizierte. Auf seiner Reise an Bord der Beagle (1832) erwähnt er die Üppigkeit der Lianen im Atlantischen Regenwald von Rio de Janeiro – er zog sogar einen Vergleich, in dem er sie als ähnlich mit “Heu, das von den Ästen der alten Bäume herunterhängt“ bezeichnete.

Für die Mehrzahl der Forschungen des 20. Jahrhunderts jedoch kamen diese Pflanzen erst an zweiter Stelle – sie konzentrierten sich auf die Edelhölzer, Fruchtbäume und Essenzen von grösserem Witschaftspotenzial. Lediglich um die negativen Einflüsse der Lianen auf jene nutzbaren Arten, sowie die Strategien, solche Einflüsse zu reduzieren – darum kümmerte man sich. Lianen können grosse Bäume dermassen umschlingen, dass einer von ihnen, der fällt, zehn weitere Bäume mit sich reisst. Lianen können den sie stützenden Baum so fest umschlingen, dass ihrem Wirt die Puste ausgeht – seine Zirkulation wird blockiert, erst sterben die Äste ab und dann der ganze Baum. Oder die Lianen verteilen sich mit solcher Vehemenz in seiner Krone, dass sie dem Baum das Licht wegnehmen – auch dann stirbt er ab. Deshalb sorgen die offiziell eingesetzten Waldhüter und Holzfachleute dafür, dass der Baum atmen kann, indem sie selektiv die eine oder andere “würgende“ Liane mit einem Schnitt von ihren Wurzeln trennen.

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Indoor: 3000 Quadratmeter groß ist Burgers‘ Mangrove, erschaffen in Anlehnung an ein vom Zoo unterstütztes Naturgebiet im mittelamerikanischen Staat Belize.
Indoor: Tropischer Regenwald in Burgers' Bush bei Arnheim. Phyllodendren und andere Pflanzen wuchern neben einem künstlichen Wasserfall.
Indoor: 3000 Quadratmeter groß ist Burgers‘ Mangrove, erschaffen in Anlehnung an ein vom Zoo unterstütztes Naturgebiet im mittelamerikanischen Staat Belize.
Indoor: 3000 Quadratmeter groß ist Burgers‘ Mangrove, erschaffen in Anlehnung an ein vom Zoo unterstütztes Naturgebiet im mittelamerikanischen Staat Belize.
Indoor: Burgers' desert. Arnheim, Niederlande.
Überdacht: Burgers' desert. Arnheim, Niederlande.
Überdacht: 3000 Quadratmeter groß ist Burgers‘ Mangrove, erschaffen in Anlehnung an ein vom Zoo unterstütztes Naturgebiet im mittelamerikanischen Staat Belize.
Überdacht: 3000 Quadratmeter groß ist Burgers‘ Mangrove, erschaffen in Anlehnung an ein vom Zoo unterstütztes Naturgebiet im mittelamerikanischen Staat Belize.
Eine mächtige Schere hat diese männliche Winkerkrabbe (Uca sp.). Burger's Zoo, Arnheim.
Diese Fotos stammen aus der Flickr Foto-Community und werden gemäß der Flickr-RSS API abgebildet.

Erst im Lauf der letzten zehn Jahre haben Forscher die positiven Aspekte der Lianen erkannt und sie heraus gestellt. Dabei spielt nicht nur die Verwendbarkeit vieler Lianenarten als “Naturapotheke“ eine Rolle – wie sie von Indianern, Caboclos und fitoterapischen Spezialisten in den Städten demonstriert wird – in diesem Fall ist den Wissenschaftlern die Rolle der Lianen bei der Regenerierung und Unterhaltung der Biodiversifikation des Regenwaldes extrem wichtig. Wie die nordamerikanische Forscherin Louise Emmons hervorhebt – sie ist spezialisiert auf Säugetiere – sind die Lianen auch eine Nahrungsquelle für viele Tiere, besonders auch deshalb, weil sie in der Trockenzeit blühen und Früchte hervorbringen – nämlich dann, wenn das Nahrungsangebot anderer Pflanzen in der Regel sinkt.

In ihren Feldstudien für ihre Doktorarbeit an der Universität von Campinas (UNICAMP) hat die Biologin Denise Gaspar sich von der Bedeutung der Lianen für die Ernährung der Brüllaffen (Alouatta guariba) überzeugt: Im Wald von Santa Genebra, einem Restfragment von 250 Hektar, eingefasst von Landwirtschaft und Eigenheimen, in der Umgebung von Campinas (São Paulo), bilden die Lianen eine 60-prozentige Nahrungsgrundlage für diese grossen Primaten während der Trockenperiode. In einem weiteren Waldfragment desselben Munizips – von ähnlicher Grösse, aber mit mehr Wasser – bilden die Lianen zirka 20% der Nahrungsgrundlage dieser Primaten.

“Andere Primaten, ausserdem Beuteltiere wie die Opossums, die Faultiere, kleine Nager und auch Vögel, sie alle wenden sich den Lianen zu, um sich während der trockenen Zeit zu ernähren“, ergänzt Denise. Wie sie ausführt, sind darunter von besonderer Bedeutung die lila Blüten der Bignoniacea, deren Nektar eine Quelle der Energie und des Proteins darstellt – die kleinen Früchtchen eines Lianen-Kaktus (Pereskia aculeatta), der gegen Ende der Trockenzeit Früchte hervorbringt – und die beflügelten Samen der Spindacea, sie ähneln Saubohnen, und werden von den Tieren noch grün verzehrt.

Das Netz der Lianen ist ebenfalls von grossem Wert als Kommunikationsverbindung zwischen den Baumkronen. Primaten aller Arten und Grössen bedienen sich dieser luftigen Verkehrswege, um zu ihren Fressplätzen zu gelangen, ohne auf den Boden herunter zu müssen, wo sie eventuellen Angriffen von Beutemachern ausgeliefert wären. Obwohl kleinere Katzen ebenfalls in der Lage sind, sich auf grösseren Lianen fortzubewegen, so behindern doch die Flexibilität der dünnen und deren dichte Vernetzung einen gezielten Angriff – das Opfer entkommt im Labyrinth der hängenden Lianen.

Wenn ein Stück Wald abgeholzt wird, verschliesen die Lianen ziemlich schnell die Kontaktschwelle zwischen der noch intakten Vegetation und offenen Stelle – sie schaffen eine Art Schutzvorhang. Das ist einer der so genannten “Grenzeffekte“, die leicht erkennbar sind. Der Exzess an Kletterpflanzen begrenzt den Eintritt des Lichts und erschwert eventuell auch das Wachstum von Aufforstungsbäumchen an dieser Stelle – einer der negativen Effekte. Andererseits filtern sie den Wind und verringern den Feuchtigkeitsverlust aus dem Innern des Waldes – Veränderungen des Mikroklimas, die oft das Absterben von grossen Bäumen verursachen.

Dank der Neuorientierung der Forschungen, sowohl in der Botanik wie in der Zoologie und der Ökologie, nehmen die Lianen inzwischen wieder ihren angestammten Platz im Pflanzenreich ein – und werden nicht mehr als Plage angesehen, die man eliminieren muss, sondern als Pflanzen der Verbindung zwischen dem Erdboden und dem Sonnenlicht, zwischen Leben und Tod, in der endlosen Spirale einer sich immer wieder erneuernden Natur.

Das brasilianische Wort für Liane (Cipó) stammt von einem indigenen Begriff aus der Tupi-Guarani Sprache – der hiess original “iça-pó“, übersetzt “die Hand des Astes“. Das Wort “Liana“ ist eine internationale Kreation, die sowohl von den Botanikern in lateinischer Sprache, als auch von den Angelsachsen angewendet wird. Eigentlich stammt es aus dem Französischen der Antike – “lier“ ebenfalls aus dem Lateinischen entnommen, nämlich von “Ligare“ (verbinden) – eine Alusion auf die Verbindung, welche von dieser Pflanze zwischen Erdboden und Baumkrone hergestellt wird. Nach dem “Lexikon der Symbole“, von Jean Chevalier und Alain Gheerbrant, stellt eine Liane beim Volk der Thais die primitive Verbindung zwischen Himmel und Erde dar, aus deren Früchte die verschiedenen menschlichen Rassen hervorgingen. Im Hinduismus ist die Relation zwischen der Liane und dem Baum, den sie umschlingt, Symbol der Liebe und schafft die Spirale des Lebens, die ewige Evolution der Naturkräfte.

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