Das entdeckte Eldorado
Ein Brasilianer, der Amazonien als sein “El Dorado empfindet“ (ein sagenhaftes Goldland in Südamerika, dem die Abenteurer aller Jahrhunderte auf der Spur waren, ohne es je zu entdecken), der 38-jährige Gaúcho aus dem tiefsten Süden Brasiliens hat seins in Amazonien gefunden. Vor acht Jahren verliess er seinen kleinen Heimatort an der Grenze zu Paraguay, angelockt von der Möglichkeit, ein Stück Land im Bundesstaat Rondônia für einen weit geringeren Preis erstehen zu können als in Rio Grande do Sul. Was er bekam, waren 100 Hektar mit unberührtem Regenwald. Für 400 Reais (150 Euro) lieh er sich eine Motorsäge und legte damit 5 Hektar Wald um. Auf dieser freien Fläche errichtete er eine Holzhütte und legte ein Feld mit Mais, Reis und Bohnen an, das er samstags und sonntags bearbeitete. “Von Montag bis Freitag muss ich im Sägewerk arbeiten“, erklärt er. Immer wenn er sich auf seinen Besitz begibt, nimmt er sein Gewehr mit, um das Fleisch für die Woche zu schiessen. Er beteuert, dass er nur das Nötige für den Bedarf seiner Familie jagt. “Nur die schmackhaften Tiere, wie Agutis, Hirsche und Wildschweine“, sagt er.
Begeistert von der Biodiversifikation
Die Chemikerin kommt aus dem Bundesstaat Santa Catarina, ist 39 Jahre alt und eine der seltenen Wissenschaftlerinnen, die die Pilze und Bakterien Amazoniens studieren. Die aussergewöhnliche biologische Vielfalt Amazoniens ist erst in so geringem Umfang untersucht worden, dass es nicht einmal Schätzungen hinsichtlich der Menge an Spezies gibt, die in den Regenwäldern und Flüssen leben. Sie ist seit neun Jahren in Manaus und hat ein Zentrum für Biotechnologie in der Staatlichen Universität von Amazonas eingerichtet. “Hier zu forschen, ist wie auf einem weissen Papier zu zeichnen“, sagt sie. “Man muss einen Weg finden, die natürlichen Ressourcen Amazoniens in Wohlstand für die hier lebenden Menschen zu verwandeln“.
Ein Cowboy in Amazonien
Geboren ist er in Paraguay – schon sein Vater hat dort mit dem Lasso Rinder eingefangen für die Herren im Grenzgebiet zu Brasilien. Als sie nach Amazonien umzogen war er elf, und hier lebt er nun schon seit 23 Jahren, arbeitet mehr als dreizehn Stunden am Tag und sechs Tage pro Woche. Mit einem Monatslohn von 900 Reias (330 Euro) bezeichnet er sich selbst als Sieger. “Ich habe einen guten Job und einen Lohn, der mir erlaubt in Würde zu leben“, freut er sich. Zusammen mit Freunden hat er die Verantwortung für eine Herde von zirka 1.000 Tieren in dem Städtchen Monte Negro, im Bundesstaat Rondônia. “Nachdem das Fällen von Bäumen zum Verbrechen erklärt worden ist, sind die Rinder hier zum besten Geschäft avanciert“, sagt der Cowboy, der in seiner Feldflasche Cachaça mitführt und seine Mahlzeiten jeden Tag selbst auf der Weide zubereitet.
Auf Achse im Regenwald
Der 56-jährige LKW-Fahrer aus dem Bundesstaat Paraná legt jeden Monat zwischen 1.400 und 1.700 Kilometer auf der Strecke Cuiabá-Santarém zurück. Mit seinem Lastwagen transportiert er Keramik nach Itaituba, im Bundesstaat Pará, und fährt von dort mit einer Ladung Holz zurück. Auf dem Streckenabschnitt im Bundesstaat Mato Grosso, die durchgehend asphaltiert ist, kann er die Fahrt geniessen – aber dann auf dem Abschnitt in Pará, ist die Erdpiste eine ständige Herausforderung für ihn, denn ihr Zustand ändert sich je nach Jahreszeit. Während der sechs Regenmonate scheint der Wald die Piste vereinnahmen zu wollen, die sich in einem Lehm-Trail verwandelt. “Die Regenzeit ist ein Hölle“, sagt er. “In der Trockenperiode lege ich die Strecke in einem Drittel der Zeist zurück“.
Der Grosskatzenjäger
In Amazonien gibt es eine seltene und wertvolle Spezies von Hund, die man dort “Mestre em Onça“ nennt – etwa: Meister der Grosskatzen. Das sind Hunde – verschiedener Rassen – die auf das Aufspüren und einkreisen der grössten südamerikanischen Raubkatze trainiert werden. Sie bedrängen den Jaguar und zwingen ihn, auf einen Baum zu klettern, wo ihn die Jäger leicht abschiessen können. Ein Hund mit dieser Fähigkeit erreicht einen Kaufpreis von bis zu 1.000 Reias (370 Euro). Vor acht Jahren hat der 26-jährige Rondonienser seinen ersten trainierten Jagdhund gekauft – er ist Sohn von Gaúchos, die in den 80er Jahren eingewandert sind. Heute spielen fünfzehn dieser wertvollen Hunde in seinem Hof. Wenigstens einmal in der Woche machen die Hunde mit ihrem Herrn einen Ausflug in den Regenwald. “Meine Hunde sind die besten Jagdhunde der Region. Es gibt kein Tier, das sie nicht stellen“, sagt er stolz.
Man braucht hier keine Papiere
Die Förderung von Cassiterit gehört zu den bedeutendsten wirtschaftlichen Aktivitäten von Campo Novo, im Bundesstaat Rondônia. Die von den Schürfern verlassenen Krater beleidigen überall an den lokalen Strassenrändern die Augen des Besuchers. Eine dieser Narben im Wald befindet sich auf dem Besitz eines Mannes aus Minas Gerais – er ist 70 Jahre alt und seit 46 Jahren in Amazonien. Im vergangenen Jahr hat er seinen Besitz den Schürfern geöffnet und dafür 60.000 Reais (23.000 Euro) kassiert. Mit dem Geld hat er sein Haus reformiert und fünfzehn Rinder gekauft. “Ich glaube, sie haben um die 900 Kilogramm Cassiterit rausgeholt“, sagt der alte Mann, ohne sich an dem verkraterten Gelände zu stören, das ihm geblieben ist. Gefragt, ob die Schürfer eine Erlaubnis für den Mineralienabbau hatten, antwortet er: “Hier verlangt niemand irgendein Papier“!
Die Sammler-Tätigkeit lohnt nicht mehr
Der 51-jährige Acrianer lebt im Sammler-Reservat Chico Mendes, im Bundesstaat Acre. Der Latex-Sammler verbringt sechs Stunden am Tag im Regenwald mit der Extraktion des Latex und führt stets seine Flinte mit sich, um sich auch um die Ernährung seiner Familie zu kümmern – Agutis, Wildschweine und Gürteltiere fängt er in seinen Fallen, die er im Wald aufgestellt hat. Diese Tiere des Waldes sind eine wichtige Proteinquelle für seine Familie. Mit einem Monatslohn von 300 Reais (etwas mehr als 100 Euro) verlässt er den Wald nur, um sich einmal im Monat in die Stadt Xapuri zu begeben und dort Lebensmittel zu kaufen, die nie für den ganzen Monat reichen. Er glaubt nicht mehr an den Traum, allein vom Sammeln der Waldprodukte leben zu können, sondern ist inzwischen überzeugt, dass er mit Dienstleistungen für die lokalen Viehzüchter besser dran wäre: “Wenn ich Weiden säubere und Zäune repariere, bekomme ich 20 Reais (7,50 Euro) pro Tag, das Doppelte von meinem Verdienst mit der Latex-Sammelei. So wie es aussieht, werde ich mich zum Fazenda-Arbeiter verändern“, sagt er.